J. C. Frank
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Mit 21 in den Ruhestand – klingt erstmal nicht schlecht. Der Musiker Jackson C. Frank hat in diesem zarten Alter sein Meisterwerk abgeliefert: 1965 war das und sein Song „Blues Run The Game“ wurde in England sofort zum Klassiker. Und Jackson C. Frank? Verschwand spurlos.
Klingt ein wenig wie die Geschichte von „Sugar Man“ Rodriguez. Bloß dass es für Jackson C. Frank kein Happy-End gab. Jacksons Freund Jim Abbott hat nun ein bewegendes Buch über den unglücklichen Sänger geschrieben. Abbott war es, der Frank schließlich aufspürte, in den späten Achtzigern, als Frank krank und obdachlos durch New York irrte. Wie konnte es soweit kommen?
Als Kind durch ein Großfeuer traumatisiert, in dem fast alle seine Schulkameraden starben, später an Schizophrenie erkrankt, dann endgültig aus der Normalität katapultiert, als sein Sohn im Säuglingsalter starb – soweit kannte ich die Geschichte von Jackson C. Frank schon, als ich Jim Abbott vor rund 15 Jahren einen Brief schrieb. Ein paar Monate später fand ich eine CD in der Post: Abbott schickte mir neue Aufnahmen. Ich konnte es kaum glauben: 30 Jahre nach seinem legendären Debut, seiner einzigen offiziellen Veröffentlichung, war Frank noch einmal ins Studio gegangen. Gesundheitlich stark angeschlagen, konnte er seine Gitarre nicht mehr so spielen wie früher, zudem hatten sich seine Jahre als Obdachloser tief in seine Stimme eingefressen. Ich war geschockt: der 21jährigen als alter Mann! Aber die Kompositionen fand ich toll, als Songschreiber hatte dieser Mann nicht nachgelassen – im Gegenteil: der Blues, den er in jungen Jahren eher prophetisch besang, nährte sich nun aus einer filmreifen Biografie. Frank verstand es noch immer, sein tragisches Leben in unverwechselbar schöne Melodien und starke, unsentimentale Verse zu übersetzen. Kurz darauf starb er. Kein Plattenlabel zeigte an seinem Spätwerk Interesse.
Aber die Geschichte geht noch weiter. Jim Abbotts Buch „The Clear, Hard Light of Genius“ setzt nun erstmals alle Puzzlestücke zusammen. Und ich behaupte: Auch wer den Namen Jackson C. Frank noch nie gehört hat, wird tief bewegt sein von dieser Geschichte. Sie handelt von Freundschaft, von einem Mann, der immer wieder aufsteht, dem sein Leben durch die Finger rinnt und der trotzdem – oder gerade deshalb? – seinem Schicksal ein unsterbliches Werk abringt.
Wenn ich heute bei YouTube nach Jackson C. Frank suche, staune ich darüber, wie viele Menschen überall auf der ganzen Welt sich mit seinen Liedern beschäftigen, sie tief im Herzen tragen und neu interpretieren. Umwerfend zum Beispiel „Marlene“ in einer Version von Joe Wilkes.*
Kürzlich tauchten alte Tonbänder wieder auf. Man dachte ja, nach seinem Debüt habe Jackson C. Frank nie ein zweites Album aufgenommen. Stimmt gar nicht: Sein wahres Meisterwerk hat er 1975 eingespielt. Bloß hat er die Bänder niemals aus dem Studio abgeholt, sie keinem gezeigt. Sie lagen herum, staubten vor sich hin, wurden vergessen … Jim Abbott hat sie für uns gerettet. Sind Sie bereit? Dann hören Sie hier, als kleine Kostprobe, den Song „Stitch in Time“.
*Im Podcast hören Sie Ausschnitte aus „Marlene“, von Jackson C. Frank Anfang der 70er komponiert und vom britischen Songwriter Joe Wilkes kürzlich neu eingespielt. Wir bedanken uns bei Joe Wilkes für die Erlaubnis, seine Aufnahme an dieser Stelle zu verwenden, und empfehlen, auch mal auf seiner Website vorbeizuschauen: www.joewilkes.co.uk.
© René Klammer, Juli 2017.