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23. April 2019 – Das Reiseziel


„Ein guter Reisender ist ein Mensch, der nicht weiß, wohin die Reise geht“ (Li Yutang)

Der Plan: Die Bonner Auen runter und in Bad Godesberg Kaffee trinken. Wir gingen zur Haltestelle, zuversichtlich, denn die Sonne schien. Zwar der düstere Karfreitag, früher von anstrengenden Messebesuchen geprägt, aber nun heller Frühlingstag, und die Vögel sangen, wir lauschten und freuten uns. Aber zu früh, wir hatten offensichtlich gebummelt, denn die 16 Richtung Bonn fuhr gerade ab – ohne uns.
  
Die nächste Bahn erst in einer halben Stunde. „Fahren wir zum Südbahnhof“, meinte Gilla, „du wolltest doch schon immer mal wieder nach Alfter“. Alfter, das war der Hang am Vorgebirge mit den Brombeerfeldern, das war der weite Blick ins Tal, das war das alte Schloss im Ort, und es gab auch da nette Cafés. Außerdem kam gerade die 16 Richtung Stadt. Wir also rein, am Barbarossaplatz raus, hin zum Südbahnhof. Aber Gilla hatte plötzlich Durst. Ihr fiel ein: wenn man wandert, gerade bei schönem Wetter, muss man auch was trinken. Also rein in den nächsten Kiosk, eine Flasche Stilles Wasser, dann weiter. Der Zug war pünktlich, sogar sehr pünktlich, jedenfalls sahen wir, auf dem Gleis angelangt, erneut eine Lokomotive an uns vorbeifahren.
 
Allerdings kam die die nächste Bahn schon eine Viertelstunde später. Die fuhr zwar auch erst Richtung Alfter, bog dann aber ab und es ging allmählich hoch: Richtung Eifel. „Dann gucken wir uns eben Zülpich an“, sagte Gilla, „wir waren ja letztens bei der Landesgartenschau da, das war schön.“

Also nach Zülpich. In Euskirchen umgestiegen, es ging nur weiter mit dem Bus, hörten wir. „Ist das weit?“, fragten wir eine Frau, die neben ihrem roten Koffer an der Haltestelle saß. „Nein“, meinte sie, „vielleicht eine Viertelstunde.“ Wir stiegen in den Bus, Zülpich war nicht tatsächlich weit, auf einem Schild an der Kreuzung lasen wir: 12 km. Aber nach einiger Zeit erblickten wir eins mit dem Hinweis: Zülpich – 14 km. Der Grund, erkannten wir dann: der Bus fuhr über die Dörfer. Verließ immer mal wieder die Hauptstraße und klapperte die Haltestellen der Umgebung ab. Wir gondelten also durch Ortschaften, die Tissenich, Ülpenich, Nemmenich hießen, für uns alles fremde Welten. Aber wir gewöhnten uns dran, bemerkten in der Dorfmitte schöne Brunnen, alte Bauernhäuser, die man mit Geschmack renoviert hatte, und in den Gärten kleine Windmühlen und auch bunte Zwerge, und manche Sträucher an den Haustüren waren behangen mit vielen bunten Ostereiern. Nicht langweilig, diese Fahrt, die allerdings, als wir in Zülpich ausstiegen, fast eine Stunde gedauert hatte.
  
In Zülpich an diesem Karfreitig kein Touristenandrang, nur einige schwarzgekleidete Leute gingen zum Gottesdienst in die Kirche. Wir aßen etwas bei einem netten Türken kurz hinter dem alten Stadttor, dann aber auf zur Attraktion, dem großen See mit den Sportanlagen und der Promenade und den Ausflugsbooten. Man musste aus der Stadt raus, dann an Wiesen und durch eine Allee bis zum Seeufer-Eingang. Tatsächlich gibt es da ein Tor im hohen Metallzaun vorm See, und einen Automaten, da muss man Geld einwerfen, erst dann lässt sich die Drehtür bewegen. Aber nicht an diesem Tag, am Zaun der Hinweis: Heute ist dieses Tor geschlossen. Zwei Touristen, die in der Nähe auf einer Bank saßen, erklärten: Der Haupteingang sei allerdings offen, Eintritt 6 Euro. Der Mann machte dabei eine ausholende Bewegung mit der Hand, um die Richtung anzuzeigen, der Haupteingang schien doch ziemlich weit weg zu sein, und nur um aufs Wasser zu sehen, 6 Euro zu bezahlen ...
  
Wir kehrten also ohne Seevergnügen um. Auf zur Rückreise. Nicht mit dem Bus, sondern mit dem schnelleren Zug, so überlegten wir. Es gab einen Bahnhof in Zülpich, sah ich auf dem Handy, aber er war doch weit außerhalb des Ortes. „Heute fährt aber kein Zug nach Euskirchen“, sagte ein Mann an der Bushaltestelle, ein fröhlicher Mensch mit der Bierflasche in der Hand. „Ihr wollt nach Köln? Da fährt man besser über Düren, mit dem Bus hier, der kommt gleich.“ Vorsichtshalber guckten wir auf dem Fahrplan nach. „Der Bus nach Düren fährt erst in einer Stunde“, sagte ich zu dem Mann mit der Bierflasche. Der lachte und hielt sein Handy hoch. „Ich habe eben nachgeguckt, der Fahrplan da stimmt nicht, der Bus kommt bald.“
  
Ich runzelte die Stirn, der Mann mit der Bierflsche grinste uns zuversichtlich an. Nun, wir blieben nicht weit von der Haltestelle stehen, vielleicht ein Einheimischer, der Bescheid weiß. Und tatsächlich, schon bald kam der Bus, oben über der Scheibe ganz groß das Ziel DÜREN, und wir stiegen ein. Auch hier ein paar Abbiegungen, das eine und andere Dorf, das der Fahrer ansteuerte. Aber schließlich Düren, Bahnhof. Und gleich mit dem Zug nach Köln. Kein Problem.
  
Fazit: Keine Bonner Auen an diesem Tag, auch kein Alfter, aber wir hatten etwas von Euskirchen gesehen, etwas von Zülpich, etwas von Düren. Und vor allem etwas von den Zwischenräumen dieser Ortschaften. Wären wir sonst nie hingekommen. Man muss einfach mal andere Wege gehen, sagten wir uns, nicht ärgern, dass dies und das nicht geklappt hat, nicht ärgern über sich selbst, dass man sich verspätet hat, oder über falsche Hinweise unterwegs, oder dass man das angepeilte Ziel nicht erreicht hat. Die ganze Zeit schien die Sonne, die Leute, die man traf, waren freundlich, wir waren in den Bussen durch schöne, bisher unbekannte Landschaften gegondelt, hatten uns von immer neuen Eindrücken überraschen lassen. Weil wir uns vertrauensvoll dem Zufall hingaben.
  
 
© Bert Brune 2019.
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