Beim St. Gereon
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12. Februar 2019 – Beim St. Gereon
Ein schöner Platz, der vor der Gereonskirche. Wir kamen mehr oder weniger zufällig in die Gegend, freuten uns, so einen ruhigen Ort, fast mitten in der Stadt, zu sehen. Und näherten uns dem imposanten Gebäude, das dem Gereon gewidmet ist. Dieser Heilige, wie wir dann feststellten, war eine eher sagenhafte Gestalt, historisch nicht greifbar, wie man das ja nicht selten bei den Katholiken findet. Es gab vor der Kirche sogar Bäume, und einige Vögel flogen hoch, setzten sich oben auf einen der Türme, die geschmückt waren mit Ornamenten, Figuren, dazwischen kleine Erker.
Dann traten wir ein. Nicht ungewöhnlich für uns, auf den Spaziergängen Kirchen zu besuchen. In Köln hat man da immer wieder Möglichkeiten – sich umzugucken, sich hinzusetzen, sich auszuruhen, ohne, wie in Lokalen, was bestellen und bezahlen zu müssen.
Wir stießen also die dicke Tür von St. Gereon auf. Drinnen sanftes Licht, vor uns eine große bunte Statue an der Säule, Maria mit dem kleinen Jesus auf dem Arm. Und – tatsächlich – wir hörten auch Musik. Gedämpft die Stimmen eines Mönchchorals aus unsichtbaren Boxen über uns.
So saßen wir hinten in der Bank, Gaby und ich, und der Blick ging an den Wänden hoch, zu den verschiedenen Etagen des Gebäudes mit ihren kleinen bunten Fenstern. Eine Menge Heiligenfiguren hie und da, in dem Dämmerlicht nur die Umrisse zu erkennen. Unterschiedliche Baustufen und Stil- und Kunstformen, aber es war ein Ganzes. Eine angenehme Atmosphäre an diesem Tag in St. Gereon.
Doch dann ging hinter uns die Tür auf, Stimmengewirr. Eine Gruppe von sieben, acht Leuten. Jemand erzählte, was es stilistisch, historisch mit dieser Kirche auf sich hat. Die anderen gaben Kommentare. Die Männer und Frauen mittleren Alters sprachen nicht sehr laut, aber unter dem großen Gewölbe zwischen den hohen Säulen doch hörbar. Kein Insichgehen mehr möglich, kein Betrachten der eigenen Vergänglichkeit angesichts der Unendlichkeit Gottes, oder eines Schöpfers des Universums, kein Sichfallenlassen bei sanfter Mönchsmusik.
Kurz vorher waren auch neue Besucher eingetreten, zwei Männer, Schwule vielleicht. Einer warf eine Münze bei der Muttergottes in den Blechkasten, es klimperte in der Kirche, der andere nahm eine Kerze und steckte sie an. Und dann setzten auch die beiden sich in die Kirchenbank und schwiegen, wie auch wir, Gaby und ich, die ganze Zeit nebeneinander gesessen und geschwiegen hatten.
Aber wie jetzt am frühen Nachmittag durch so ein der Stille gewidmetes Gebäude herumlaufen, eine Menge Informationen präsentieren, vielleicht sogar mit seinen Kenntnissen glänzen wollen, das passt nicht. Solchen Leuten müsste man gewisse Besichtigungszeiten anbieten, an denen sie ungestört ihren Neigungen nachgehen. Doch auch sie sollten wissen: Mit dem Verstand allein erfasst man das, was so eine Kirche ausmacht, die sich ja vor allem an die Gemüter, die Seelen, die Herzen der Betrachter wendet, nicht.
Die Meute ließ sich Zeit, schob sich nach vorn, blieb lange am Altar. Es würde sich hinziehen. Wollten wir uns nicht antun. Außerdem hatten wir beide genug getankt, hatten ausreichend Energien, Sauerstoff vom Heiligen Gereon empfangen, es reichte, um draußen im Alltag wieder gut über die Runden zu kommen – bis zum nächsten Kirchenbesuch.
© Bert Brune 2019.